Arbeitsleben in der Corona-Pandemie

Zwischen Couch und Kollaps

Was Homeoffice mit unserer Seele macht - ein Kommentar

Es war einmal…

…vor gar nicht allzu langer Zeit, da habe ich an dieser Stelle unter dem Titel „Bitte keine neue Normalität“ die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unser Arbeitsleben sowie auch unseren privaten Alltag thematisiert. So gut es damals eben ging, immerhin hatte keiner oder zumindest kaum einer von uns bis dahin Erfahrungen mit einer solchen (wie es unter anderem unsere Kanzlerin zwischenzeitlich nannte) Naturkatastrophe gemacht. Und trotz der schon damals aufziehenden, dunklen Wolken, trotz allen vorhandenen Ängsten und Befürchtungen war da eben auch noch immer der Glaube an eine rasche Wende zum Guten.

So viele kluge Köpfe überall, so viel geteiltes Wissen aus aller Welt, da musste sich doch etwas machen lassen. Da musste doch jemandem noch eine andere, eine bessere Lösung einfallen als einfach nur daheim zu bleiben.

Nun, nicht einmal ein dreiviertel Jahr später, muss ich feststellen: Die Wünsche nach einer möglichst raschen Rückkehr in unser altes Leben haben sich leider allesamt nicht erfüllt. Im Gegenteil.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Der nun schon knapp ein Jahr andauernde Ausnahmezustand hat uns alle weiter fest im Griff. Deutschland hangelt sich, wie viele andere Länder Europas und der Welt auch, weiter von Lockdown zu Lockdown. Mal light, mal streng, nie so richtig, aber eben auch nie so, dass man eine nachhaltige Verbesserung der Situation erkennen könnte.

Selbst ein zumindest gedankliches Entkommen, ein vielleicht auch nur kurzzeitiges Verdrängen der eigenen Situation ist kaum bis gar nicht möglich. Egal ob in den sozialen Medien, den öffentlich-rechtlichen oder privaten TV-Anstalten, in Printmedien oder den guten, alten Radiosendern. Überall ist Corona das zentrale Thema.

Endlose Diskussionsrunden hier, die nächste Hiobsbotschaft da. Fake News lassen sich zum Teil kaum noch von faktenbasierter Wahrheit unterscheiden. Aus Impfhoffnung wird innerhalb weniger Wochen Impfchaos, manch ein Experte verwendet die Begriffe Lockerung und Verschärfung gleich in ein und demselben Satz. Überall nur Inzidenzen, R-Werte, Statistiken zu Erkrankten, Genesenen. Die Toten als Zahl zur Begrüßung am Morgen, der Handel ächzt, die Gastronomen zählen die Tage bis zur Pleite und zu allem Überfluss darf Donald Trump nicht mal mehr twittern.

Und wenn es einem doch mal gelingt, in all dieser gefühlten Hoffnungslosigkeit ein Licht am Ende des Tunnels zu erahnen, wartet irgendwo ganz sicher Karl Lauterbach, um mit bewegungsstarrer Miene das Ende des Abendlandes zu verkünden und einen so ganz schnell wieder zu erden. Nichts gegen Herrn Lauterbach, der sagt vermutlich einfach nur die Wahrheit. Aber gelegentlich, nur gelegentlich, will ich diese Wahrheit eben auch schlicht mal nicht hören.

Dies ist kein Fachartikel

Das haben Sie vermutlich selbst schon gemerkt. Heute geht’s ganz einfach nur um mich. Und vielleicht auch ein wenig um einige andere von uns, die seit etlichen Monaten in ihren eigenen vier Wänden sitzen und versuchen, die aktuelle Situation so gut es geht anzunehmen und zu meistern.

Denn wie so viele verbringe auch ich meinen gesamten Alltag mittlerweile fast ausschließlich in meinem eigenen Zuhause. Ausnahmen gibt’s kaum, echten menschlichen Kontakt noch seltener und wenn, dann beschränkt dieser sich eher auf die Kassiererinnen und Kassierer im nächstgelegenen Supermarkt.

Und auch wenn ich gern zugebe, dass die Aussicht auf ein derart zurückgezogenes Dasein am Anfang durchaus einen gewissen Reiz hatte, so spüre ich die negativen Folgen zunehmend mehr, je länger diese Umstände andauern. Denn mein Zuhause ist nun eben nicht mehr nur mein Home, sondern auch mein Office.

Meinen Arbeitsplatz kann ich frei wählen. Es interessiert niemanden, ob ich nun am Schreibtisch mein Werk verrichte, in der Küche bei Kaffee und Keksen oder gemütlich dahin drapiert auf meiner Couch. Der Weg von der Dusche bis zum Arbeitsplatz kostet mich nie mehr als ein paar Sekunden, der Übergang vom Feierabend zu Netflix ist quasi fließend. Purer Luxus, möchte man meinen. Und irrt.

Denn trotz all dieses vermeintlichen Komforts merke ich, dass mir etwas ganz Entscheidendes langsam aber sicher entgleitet. Nämlich der Spaß an meiner Arbeit.

Aber woran genau liegt das? Die Arbeit selbst hat sich im Kern ja nicht verändert.

Und täglich grüßt…

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich mag meinen Job. Sehr sogar, sonst würde ich ihn vermutlich auch gar nicht ausüben. Und doch fühlt er sich jetzt ganz anders an, als dies noch vor einem Jahr der Fall war. Fast so, als ob man Äpfel und Birnen miteinander vergleicht. Er fühlt sich zum ersten Mal nach dem an, was er ja eigentlich ist: nach Arbeit.

Von Tag zu Tag habe ich mehr das Gefühl, nichts anderes zu tun, als meine eigene To-Do-List abzuarbeiten, zu festgelegten Terminen in Zoom-Rooms und Teams Chats zu erscheinen oder zwischendurch einen Blick auf die Uhr zu erhaschen in der vagen Hoffnung, dass vielleicht schon wieder mehr als eine Stunde vergangen und der Feierabend damit in greifbarere Nähe gerückt ist. Ein Feierabend, der allerdings auch nicht viel mehr zu bieten hat als den täglich gleichen Trott aus Essen, TV, Facebook und vielleicht dem neuen Fitzek. Vom Wochenende möchte ich jetzt lieber gar nicht erst sprechen.

So kenne ich mich nicht und bin in der Folge zusehends genervter von mir selbst, was wiederum meiner Eigenmotivation nur wenig zuträglich ist. Einen Teufelskreis nennt man das wohl.

Jeder Tag ist nur Routine, das sprichwörtliche Murmeltier läuft quasi stündlich Runden um meinen Arbeitsplatz. Es ist nicht einfach „nur“ der persönliche Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen, es ist auch die Spontanität im Arbeitsalltag, die mir mittlerweile völlig abgeht.

Niemand da, der plötzlich seinen Kopf ins Büro steckt, um kurz ein Thema mit mir zu besprechen, „weil man sich grad mal sieht“. Keine Kollegen, die mich zu einem Plausch in einer längeren Mittagspause überreden. Keine Kollegin, die „nur mal fix eine rauchen“ möchte.

Nicht mal mein Rechner verweigert hier den Dienst, was er im Büro doch sonst so verlässlich tut und mir so einen Grund liefert, mal bei der IT vorbei zu schauen.

Und wer auch immer mir jetzt sagen möchte, Facetime sei hier eine super Alternative, möge einfach schweigen.

Überall Struktur. Nichts, was einen unvorbereitet trifft. Keine Abwechslung, keine Zerstreuung.

Weil dieses Virus das Leben aus dem Begriff Arbeitsleben gestrichen hat. Einfach so.

Ich weiß, ich jammere hier auf einem hohen Niveau. Immerhin kann ich meinen Beruf zumindest noch ausüben. Immerhin ist das Thema Home-Schooling für mich persönlich nie wirklich relevant geworden. Aber hilft mir denn das Wissen, dass es anderen noch deutlich schlechter geht? Das tut es nicht.

Weiter, immer weiter…

Es gibt viele Momente, da beneide ich fast all jene, für die ihr Job ohnehin nie mehr war als ein notwendiges Übel zur monetären Absicherung. Um 9 Uhr kommen, um 17 Uhr gehen – Arbeit ist Arbeit, Schnaps ist Schnaps.

Doch dann fällt mir zum Glück meist wieder ein, dass ich mir genau das für mich nicht wünsche. Dass ich mir genau das nicht unter einem erfüllenden Job vorstelle. Dass ich einfach nur meinen gewohnten Alltag wiederhaben möchte.

Ich möchte mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Pause beim Asiaten um die Ecke Nudeln essen. Mit ihnen nach Feierabend ein Bier oder einen Cocktail in unsere Stammbar trinken.

Ich möchte wieder mit all den Nöten und Herausforderungen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konfrontiert werden, egal ob es gerade in meine Tagesplanung passt oder eben nicht.

Ich möchte mit ihnen feiern, tanzen, lachen und beim Sommerfest betrunken unter dem Tisch liegen.

Und ich werde all das wieder erleben dürfen, so wie wir alle. Irgendwann, selbst wenn es noch ein bisschen dauert. Denn auch wenn es unter all den Schreckensmeldungen, bedrückenden Zahlen oder Berichten über Virusvarianten und fehlenden Impfstoff fast ein wenig untergeht:

Wir werden diese Krise überwinden.

Wir werden unser altes Leben zurückbekommen, wenn auch vielleicht an der ein oder anderen Stelle in etwas veränderter Form. Daran glaube ich ganz fest. Und dann wird selbst Karl Lauterbach lächelnd vor einer Kamera stehen und nichts anderes mehr sagen als:

Wir haben es geschafft.

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