Fehlerkultur
Fehlerkultur

Fehlerkultur: Hängt ihn höher!?

Was eine gesunde Fehlerkultur so wichtig macht

Ein Warntag als mahnendes Beispiel einer Fehlerkultur

Kennen Sie Christoph Unger?

Bis zum 10. September des laufenden Jahres hätten diese Frage vermutlich noch deutlich mehr Menschen mit einem Nein beantwortet, als heute. Denn am 10.09.2020 zeichnete eben jener Christoph Unger als Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) verantwortlich für den ersten bundesweiten Warntag seit der Wiedervereinigung – mit einem ernüchternden Ergebnis.

Die Warn-Apps reagierten nicht wie gewünscht (bzw. schlicht deutlich zu spät) und auch die Sirenen in unserem Land blieben für (zu) viele Menschen stumm, da sie entweder defekt oder aber gar längst abmontiert waren. Ist eben schon ein Weilchen her, seit man sie zuletzt gebraucht hat.

Bei aller Wichtigkeit des geplanten Unterfangens hätte man eine solche Entwicklung im Vorfeld durchaus einkalkulieren und im Anschluss auf Ursachenforschung gehen können, um im nächsten Versuch dann einen entsprechend größeren Erfolg zu erzielen. Stattdessen ergossen sich medial sowie in der Öffentlichkeit Hohn und Spott über die vermeintlich Verantwortlichen, Rufe nach Konsequenzen wurden laut und schnell war klar: Hier müssen Köpfe rollen!

Ein bisschen wie im Mittelalter also, aber anders ist es man es heute ja fast nicht mehr gewohnt.

Seit dem 30.09.2020 jedenfalls ist Christoph Unger nicht mehr Präsident des BBK. Weil er Fehler gemacht hat. So wie jeder andere von uns auch mal Fehler macht.

Und auch wenn Herr Unger weich fiel – seit 01.10.2020 ist er nun Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden – wird dieser erste bundesweite Warntag seit über 30 Jahren bei allem Misserfolg zu einem wunderbaren Beispiel dafür, wie mit Fehlern im täglichen Arbeitsleben noch immer sehr oft umgegangen wird. Es wird an den Pranger gestellt, abgestraft und aussortiert. Der potentielle Nachfolger steht schließlich schon parat.

Sollte das wirklich so sein? Kann man das nicht anders lösen? Oder ist Fehlerkultur nur Begriff und Ausrede für jene, deren zu sensibles Gemüt dem Druck der heutigen Arbeitswelt nicht mehr gewachsen ist?

Nur wer gar nichts tut, macht auch nichts falsch

Dabei werden die Anforderungen und Erwartungen gerade an Führungskräfte in der heutigen Zeit immer höher, Expertise und Erfahrung im jeweiligen Fachgebiet reichen längst nicht mehr aus. Innovativ und empathisch zu sein ist Grundvoraussetzung, der Blick muss immer auch in die Zukunft gerichtet sein und natürlich weit über den eigenen Tellerrand hinaus. Think outside the box, Sie kennen das.

Klar ist aber: Wann immer man Neues, noch Unbekanntes ausprobiert, kann es eben nicht nur vielleicht zu Fehlschlägen kommen, sondern Dinge werden sogar mit Sicherheit anders verlaufen als gedacht, gewünscht, erhofft. Scheitern gehört also in gewissem Maße einfach dazu. Die Frage ist eben nur, wie man dann damit umgeht.

Genau hier setzt eine gesunde Fehlerkultur an.

Rückschlag? Chance!

Niemand von uns macht Fehler gern oder gar mit Absicht, ganz im Gegenteil.

In aller Regel ist das erste, was man empfindet, wenn man einen solchen begeht, eine Form von Scham, oft gefolgt vom Drang nach Rechtfertigung und im schlimmsten Fall sogar einer gewissen Blockadehaltung gegenüber Argumenten anderer.

Verfügt Ihr Unternehmen über eine gesunde Fehlerkultur, geht es daher auch gar nicht so sehr nur um die Frage, wer verantwortlich ist, sondern vordergründig darum, warum etwas nicht funktioniert hat. Mit dem klaren Ziel, es beim nächsten Anlauf einfach besser zu machen.

Rückschläge schaffen immer auch einen neuen Blick auf die Dinge und bieten so Möglichkeiten zur Optimierung, wenn man sie nur richtig einordnet. Ganz davon abgesehen, dass jeder bei Fehlern die Chance verdient hat, daraus zu lernen, sich weiterzuentwickeln und es wieder gut zu machen.

Ehrlichkeit rules – gerade sich selbst gegenüber

Das alles hat jedoch nichts mit Weichspülerei oder einem „Alles-heile-Welt“-Denken zu tun.

Denn natürlich müssen Fehler, wenn sie passieren, benannt werden. Klar, aber eben auch wertschätzend dem jeweiligen Mitarbeiter oder der jeweiligen Mitarbeiterin gegenüber. Dieser oder diese hat den sprichwörtlichen Karren schließlich nicht aus Böswilligkeit gegen die Wand gefahren.

So ist gerade der Umgang mit Feedback ein zentrales Thema der Fehlerkultur, sowohl was das Geben als auch was das Nehmen betrifft. Ein Hammerschlag, das mittlerweile gerade in den sozialen Medien so populär gewordene Draufhauen ohne Rücksicht auf Verluste wird Sie am Ende ebenso nicht weiterbringen wie völlige Ignoranz gegenüber dem, was passiert ist. Teammitglieder, die ob der letzten verbalen Vernichtung in eine völlige Trotzhaltung verfallen sind, helfen Ihnen genauso wenig wie solche, die eigene Unzulänglichkeiten gar nicht wirklich realisieren, weil sie ihnen niemand deutlich genug vor Augen führt.

Machen Sie sich nur immer bewusst, dass wir alle Menschen sind. Und Menschen machen nun einmal Fehler. Ja, Sie ebenso. Dieses Eingeständnis eigener Fehlbarkeit auch gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird schon vieles erleichtern.

Denn wer in der Lage ist, eigene Verfehlungen offen und ehrlich zu kommunizieren und zu diesen zu stehen, der dient auch als Vorbild für andere. So erleichtern Sie es den Mitgliedern Ihres Teams, eigene Fehlleistungen einzugestehen, entsprechendes Feedback positiver aufzunehmen und solches auch in adäquater Form an andere weiterzugeben.

Das alles kann und muss man erst lernen. Es müssen alle Ebenen Ihres Unternehmens mitziehen, damit es wirklich funktioniert. Aber so entsteht am Ende ein positiver Umgang mit Fehlern. Und ein solcher macht es allen deutlich leichter, neuen Herausforderungen, wie sie sich beinahe jedem von uns tagtäglich nicht nur im Arbeitsleben stellen, souverän und mit einem gesunden Maß an Selbstsicherheit zu begegnen. Von seinem Einfluss auf das Arbeitsklima ganz zu schweigen.

Der Blick über den Atlantik

Wohin eine defizitäre Fehlerkultur oder die nahezu völlige Abwesenheit einer solchen führen kann, lässt sich übrigens seit nunmehr vier Jahren ganz allgemein am Beispiel der US-amerikanischen Politik und speziell seit einigen Monaten an deren Umgang mit der aktuellen Pandemielage nachvollziehen.

Das mag polemisch klingen und auch sein, weniger wahr ist es deshalb jedoch nicht. Keine Fake News sozusagen.

Und auch wenn man Herrn Trump eine gewisse Führungsstärke sicher nicht absprechen kann, so wird sich solche Zustände doch wohl niemand für das eigene Arbeitsleben wünschen. Oder?

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